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Politik, Wahlen

Wo steht die Piratenpartei politisch?

Jeder der sich innerhalb der Piratenpartei politisch engagiert oder auch nur von außen die Entwicklung von Standpunkten der Piratenpartei beobachtet stellt sich über kurz oder lang die Frage: „Wo steht die Piratenpartei eigentlich innerhalb des Parteienspektrums?“ Oder anders ausgedrückt: „Mit welchen anderen Parteien hat die Piratenpartei eine politisch thematische Überschneidung und zu welchen Parteien besteht ein großer ideologisch-politischer Gegensatz?“

Umso spannender ist die Frage, da die Piratenpartei noch längst nicht ihre eigenen Positionen zu den gesellschaftlichen Themen ausgearbeitet und formuliert hat, sondern derzeit noch in hohem Maße heterogen erscheint. Und das sowohl hinsichtlich der individuellen politischen Verortung der einzelnen Parteimitglieder als auch im Vergleich der einzelnen Landesverbände zueinander. Das ist jetzt nicht wirklich etwas besonderes, denn das gibt es durchaus auch bei anderen Parteien – selbst bei solchen, die schon jahrzehntelang in verschiedensten Regierungskoalitionen die Geschicke der BRD leiten.

Wo steht nun die Piratenpartei?

Nachfolgend wird eine statistische Auswertung angelehnt an die Wähler-Milieu-Theorie vorgestellt, in der die Wahlergebnisse in den einzelnen Wahlkreisen dahingehend untersucht wurde, welche Korrelationen bei den Ergebnissen der angetretenden Parteien zueinander bestehen. Anschließend sind die Korrelationswerte graphisch als Abstände umgesetzt worden und die Größe der Parteienkreise dem Wahlergebnis entsprechend angepasst worden.

Für die Bundestagswahl wurde diese Untersuchung getrennt nach zwei unterschiedlichen Wahlgebieten „West“ als Summe aller westdeutschen Bundesländer und „Ost“ für die sechs neuen Bundesländer durchgeführt.

In den Altbundesländern sieht das korrelierende Parteienspektrum wie folgt aus:

Parteienspektrum Bundesländer West

Parteienspektrum Bundesländer West

Überhaupt nicht überraschend ist die politische Nähe von CDU zu F.D.P., eher schon dass die Linkspartei der SPD wohl näher steht, als es dieser lieb sein mag. Interessant ist jedoch, dass die Bündnisgrünen sowohl von der SPD eine gewisse Ferne haben und dass die Wähler der Piratenpartei offensichtlich politisch im gleichen Milieu wie die Wähler der Grünen zu finden sind. Zumindest lässt die Analyse insofern den Schluss zu, als dass die Piratenpartei dort viele Wähler hat, wo auch die Grünen stark vertreten sind.

In den östlichen Bundesländern erscheint das Bild wegen der gravierenden Unterschiede in den Wahlergebnissen zum „Westen“ zugunsten der Partei Die Linke natürlich auf den ersten Blick als stark abweichend.

Parteienspektrum Bundesländer Ost

Parteienspektrum Bundesländer Ost

Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch, dass die Korrelation der Parteien zueinander zumindestens räumlich dem gleichen Muster entsprechen. Für die CDU und die F.D.P. sieht die Darstellung fast so aus, als wäre es eine Kopie aus der Graphik „West“. Größere Unterschiede ergibt sich bei den Parteien des „linken“ Spektrums SPD, Grüne, Linke und Piraten. In den östlichen Bundesländern gibt es eine deutlichere Entfernung zwischen der SPD und der Partei die Linke, was aber auch zum Teil auf die gewählte statistische Analyse-Funktion KORREL zurückzuführen ist. Dennoch kann man hier in gewisser Weise interpretieren, dass dort wo die SPD stark ist, die Linke schwächelt und andersherum. Am interessantesten ist hier tatsächlich die Piratenpartei, die anders als im Westen hier eher eine engere Korrelation mit der SPD denn mit den Bündnisgrünen aufweist.

Ein noch anderes Bild ergibt sich, wenn man nicht die Wahlergebnisse untersucht, sondern die programmatischen Standpunkte der Parteien zueinander. Hier bietet der aktuelle Wahl-o-mat der Bundeszentrale für politische Bildung http://www.bpb.de/methodik/XQJYR3 zur Bürgerschaftswahl in Hamburg einen politisch aktuellen Analysegegenstand. Der Wahl-o-mat eignet sich besonders für eine Untersuchung, da hier in 38 aktuellen Thesen zur Landespolitik die einzelnen zur Wahl antretenden Parteien ihre Standpunkte selbst definieren und wir deshalb standartisierte programmatische Originalaussagen miteinander vergleichen können. Um die Aussagen JA, NEIN und Enthaltung vergleichen zu können wurde in einer Matrix die Differenz der Parteiaussagen aufgelistet.

Bei den 38 Thesen wurde bei jeder einzelnen These eine vollkommende Übereinstimmung mit 0 Differenz-Punkten, eine annähernde Übereinstimmung mit 1 Punkt und eine gegensätzliche Aussage der beiden zueinander untersuchten Parteien mit 2 Differenz-Punkte gewertet.

Im Ergebnis liegen zBsp die sich CDU und die F.D.P. mit nur 23 von maximal 76 möglichen Differenz-Punkten relativ nah während sich zBsp die Grün Alternative Liste GAL deutlich stark von der NPD mit 50 Differenz-Punkten programmatisch unterscheidet. Auch ohne eine statistische Auswertung wird einen eine solche politische Ferne dieser beiden Parteien nicht sonderlich verwundern.

Wenn man nun diese programmatische Korrelation ähnlich umsetzt, wie die Wahlergebnisse zur Bundestagswahl ergibt sich folgendes Bild:

Verortung der Parteien im Wahl-o-mat Hamburg

Diese graphische Umsetzung überrascht dann schon eher in einigen Punkten:

1) Anscheinend gibt es zwischen der CDU und der SPD eine hohe Übereinstimmung in den Aussagen zu den aktuellen politischen Themen in Hamburg. Oder böse ausgedrückt – es macht keinen großen Unterschied, ob man nun SPD oder CDU wählt, man bekommt im Wesentlichen die gleiche Politik geboten.

2) Die F.D.P. ist programmatisch weiter von der CDU abgerückt, als man es vermuten würde.

3) Die fünf linken Parteien GAL, Linke, Piraten, ÖDP und die Partei DIE PARTEI tummeln sich alle in einer programmatischen Ecke und weisen eine hohe Übereinstimmung in der Beantwortung der 38 Thesen auf.

4) Die Partei NPD ist politisch größtenteils isoliert und vertritt zu den anderen Parteien vollkommen diametrale Standpunkte.

Betrachten wir nun die Piratenpartei etwas genauer, denn hier wird auf einen Blick eines besonders deutlich, wenn man die drei Graphiken miteinander vergleicht. Während die Piratenpartei bei der Bundestagswahl zwischen der SPD und den Bündnisgrünen verortet werden kann, ist sie zur Bürgerschaftswahl in Hamburg programmatisch den Linken am nächsten und ist zudem noch die Partei, die am weitesten vom Mittelpunkt entfernt liegt – oder anders ausgedrückt: Die Piratenpartei hat die extremsten linken Standpunkte formuliert.

Was bedeutet das nun für die Piratenpartei?

Die programmatische Nähe der fünf linken Parteien birgt ein großes Risiko für die Piratenpartei, denn es fehlt – zumindestes bei diesen 38 Thesen – an einer klaren Differenzierung zu den anderen vier Parteien und man kämpft im Prinzip thematisch um ein identisches Wählermilieu. Ein Wähler, der der Piratenpartei nicht unbedingt das Überspringen der 5%-Hürde zutraut, wird – damit seine Stimme nicht untergeht – eher geneigt sein, die Grünen oder die Linken zu wählen.

Man kann auf alle Fälle gespannt sein, inwieweit sich diese extreme programmatische Positionierung der Piratenpartei in Wählerstimmen auszahlen wird.

Auch interessant wird es sein, wie sich die Piratenpartei in Baden-Württemberg in ihrem Wahl-o-mat thematisch aufstellt und inwieweit dann ein signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden Landesverbänden festgestellt werden kann.

Fortsetzung folgt. 😉

P.S. Der Kurzlink dieses Artikels lautet: http://twiturl.de/hcuoiih

P.P.S Ich habe jetzt die Berechnung der Abstände umgestellt und die Graphik Hamburg erneuert.

P.P.P.S Da die Frage gestellt wurde, habe ich jetzt den gewichteten Fehler der Graphik bei den Abständen zwischen den Parteien berechnet: Er beträgt 2,4% ggü den SOLL-Abständen in einem theoretisch mehrdimensionalen Raum.

Diskussionen

11 Gedanken zu “Wo steht die Piratenpartei politisch?

  1. Das ist wirklich ein guter artikel, die analyse war gut.

    Verfasst von Christian | Februar 4, 2011, 1:47 am
  2. Ich finde, der Piratenkompass hat da die genaueste Aussage:

    http://adrianlang.de/piratenkompass/

    Verfasst von inkorrupt | Februar 4, 2011, 1:25 pm
    • Der Piratenkompass, die Wahlanalyse und die graphische Darstellung der Thesen ergänzen sich.

      Der Piratenkompass zeigt, wo die Mitglieder der Piratenpartei, die die amerikanischen Themen beantwortet haben, in einem fest vorgegebenen politischen System verortet sind.

      Die Analyse der Bundestagswahl stellt dar, welche Korrelation es zwischen den Wählern der Piratenpartei und den der anderen Parteien gibt und lässt gewisse Rückschlüsse zu, in welchen sozialen Milieus die Wähler beheimatet sind.

      Die graphische Darstellung der politischen Aussagen in Relation zu den anderen zur Bürgerschaftswahl antretenden Parteien zeigt, wo die Ähnlichkeiten und Gegensätze zu den anderen Parteien liegen. Die Besonderheit heirbei ist, dass es sich bei dieser Auswertung um offizielle vom LV Hamburg veröffentlichten politischen Standpunkte handelt.

      Im Idealfall sollten sich die drei Werte überschneiden, denn dann hätten wir eine Übereinstimmung der politischen Einstellung der Parteimitglieder, der Wähler und der veröffentlichten Parteistandpunkte.

      Wenn sich allerdings Differenzen zeigen, dann kann man diese erkennen und ggf darauf reagieren. Auf jeden Fall stellt die statistische Auswertung einen Erkenntnisgewinn dar. Wie man diesen interpretiert und nutzt liegt bekanntlich im Auge des Betrachters.

      Verfasst von andena17 | Februar 4, 2011, 7:31 pm
  3. Die Piratenpartei wird es wohl bald zu einer Ausgleichspartei, wie in den 80ern die Grünen werden!

    Verfasst von sporti1304 | Februar 4, 2011, 5:52 pm
  4. Naja, vielen Dank für die statistische Auswertung, die ist sehr interessant. Was die daraus abgeleiteten Erkenntnisse angeht, machst du dir das meiner Meinung nach ein bisschen zu einfach.

    Da wäre zum ersten die angebliche Korrelation zwischen Wählermilieu und politischer Nähe. Die Graphen zur Bundestagswahl zeigen z.B. eine große Nähe der Linken zur DVU. Das erscheint logisch, weil beide wohl ihre Wähler zum großen Teil in sozial schwachen Milieus rekrutieren. Dies wäre aber der erste Fall, wo jemand behauptet, die Linke und die DVU stünden sich politisch nahe. In der Folge lässt sich meiner Meinung nach hieraus auch keine politische Nähe der Piratenpartei zur SPD oder den Grünen schließen. (Womit ich nicht explizit behaupten möchte, es gäbe keine derartige Nähe.)

    Ich würde aber statt der Entfernung der Piratenpartei zu diesen beiden Parteien eher auf die unterschiedliche Positionierung der SPD zwischen Grünen und Linken in Ost bzw. West hinweisen. Meine Interpretation der beiden Grafiken ist, dass Linke, Grüne und Piraten in West und Ost in etwa im selben Verhältnis zueinander stehen, die SPD aber im Westen als die „klassische Arbeiterpartei“ in höherem Ausmaß auch bildungsferne Schichten bedient, während sie im Osten als „neue“ Partei sich eher mit den Grünen (und den Piraten) ein durchschnittlich gebildeteres Milieu teilt.

    Kommen wir zur Betrachtung des Hamburger Wahl-O-Maten und der Schlussfolgerung, die Piratenpartei hätte die „extremsten linken Standpunkte formuliert“. Beim Wahl-O-Maten geht es aber nicht um Weltbilder oder grundlegende Ausrichtungen, sondern um einzelne Tagesthemen aus der politischen Praxis. Zu einem Großteil der Fragen fiele es mir schwer, eine dediziert „linke“ Antwort zu finden. Eine Frage, wo die Piraten anders geantwortet haben, als CDU, SPD und Linke, wo also eine größere Entfernung der Piraten an den Rand der Grafik begründet ist, ist die Befürwortung von mehr verkaufsoffenen Sonntagen, zusammen mit der FDP – eine definitiv nicht linke Forderung.

    Schon alleine die Verortung der ÖDP als „linke Partei“ ist meiner Meinung nach höchst fragwürdig, zumal ja die Milieu-Verortung von der Bundestagswahl zu einem ganz anderen Ergebnis kommt, und die ÖDP irgendwo auf der konservativen Seite der CDU verortet. Fragen zur Trennung von Kirche und Staat oder dem Familienbild kommen aber z.B. beim aktuellen Wahl-O-Mat gar nicht vor.

    Ich würde eher behaupten, dass Linke, Piraten und ÖDP aus drei sehr unterschiedlichen Hintergründen – „marxistisch-klassenkämpferisch“, „sozial-liberal“ und „christlich-sozial“ – zu den beobachteten weitreichenden Übereinstimmungen gelangen, was zum einen an einer bei allen drei Parteien erkannten derzeitigen sozialen Ungerechtigkeit liegt, aber zum anderen auch mehr oder weniger zufällig durch die derzeit aktuellen Themen bestimmt wird.

    Was natürlich wiederum stimmt, ist dass es unter diesen Bedingungen für die Piraten schwer werden könnte, sich neben den großen Mitbewerbern Grüne und Linke als eigenständig zu profilieren. Das kann zum einen darüber geschehen, dass eigene Themen betont werden, die im Wahl-O-Maten und der öffentlichen Diskussion nicht den großen Raum einnehmen, und zum anderen mit Verweis auf die Glaubwürdigkeit z.B. der Grünen, die in der schwarz-grünen Koalition quasi alle ihre Wahlversprechen gebrochen haben, und jetzt u.a. frech im Wahl-O-Maten die Rücknahme der Gebührenerhöhung für Kindergartenplätze fordern, die sie selber beschlossen haben.

    Disclaimer: Ich bin selber Pirat, und kann daher nicht ausschließen, evtl. Details durch die Piratenbrille betrachtet zu haben.

    Verfasst von BurkhardHH | Februar 5, 2011, 5:24 am
    • Hallo BurkhardHH,

      Besten Dank für Deinen ausführlichen und gut fundierten Kommentar, dem ich zu großen Teilen zustimmen kann. Ich will hier nur auf einige wenige Puntke eingehen:

      Im meinem oberen Analyseteil des Blog-Artikels wird statistisch relativ neutral dargestellt, wie die Wahlergebnisse der Parteien zur Bundestagswahl zueinander korrelieren – oder anders ausgedrückt: Welche Parteien sind zusammen in den gleichen Wahlkreisen stark und welche Parteien sind dort stark wo eine andere Partei ein schwaches Ergebnis eingefahren hat?

      Diese Korrelation der Parteienwahlergebnisse in den Wahlkreisen wurde dann in eine Graphik so übersetzt, dass die Parteien, die eine hohe positive Korrelation zueinander haben, nahe zusammen stehen und solche Parteien, die eine negative Korrelation haben, weit von einander entfernt liegen. Trotz der Schwäche der zweidimensionalen Darstellung ergibt sich mit einem geringen Fehlerkoeffizienten ein relativ klares Bild, das im Großen und Ganzen nicht überrascht. Anschließend wurde das Wahlergebnis der Parteien als Größenordnung bei der jeweiligen Kreisfläche dargestellt. Soweit der statistische Teil.

      Natürlich hat jeder eine eigene subjektive Interpretation und eine eigene persönliche Meinung zur Bewertung der Graphik. Meine Interpretation ist, dass die Parteien, die in der Graphik dicht beieinander liegen, auch von ähnlichen Wähler-Milieus gewählt werden. Diese Interpretation ist aus meiner Sicht zulässig aber nicht unbedingt alleinerklärend, da es mit Sicherheit mehr als einen Faktor gibt, warum sich die Wähler für eine Partei entscheiden. Diese Analyse erhebt aber gar nicht den Anspruch als allumfassende wissenschaftliche Arbeit angesehen zu werden – das kann man später bestimmt auch mal machen, wenn ich das von mir erfundene Analyse-Verfahren weiter erprobt habe.

      Du schreibst: „Dies wäre aber der erste Fall, wo jemand behauptet, die Linke und die DVU stünden sich politisch nahe.“ Natürlich gibt es das klassische Parteien-Spektrums-Modell einer geraden Linie von links nach rechts wo die Linke sehr weit von der DVU entfernt liegt. Daneben gibt es aber auch weitere Modelle, die einer anderen Systematik folgen. Hierzu zählt zum Beispiel das Hufeneisen-Modell, nach dem die politisch rechten Parteien und die politisch linken Parteien jeweils am Ende des Hufeisens positioniert werden und die beiden Enden des Hufeisens in diesem Modell sehr nahe beieinander liegen.

      Deine Anmerkungen bezüglich der Wahl-o-mat Thesen finde ich sachlich und gut fundiert. Natürlich ist es so, dass die Beantwortung der 38 Thesen kein ganzes und bestimmt auch kein hundertprozentig schlüssiges Bild auf die einzelnen Parteien bietet. Aber es ist ein Bild, dass sich die interessierten Wähler machen können und dabei vielleicht sogar das Gefühl haben, eine objektive Auswertung ihrer eigenen politischen Einstellung zu den Parteien zu erhalten, da man der bpb eine gewisse Neutralität zuspricht.

      Welche Bedeutung misst man nun der statistischen Auswertung und deren graphischen Aufbereitung zu? Die Bandbreite wird da sicherlich je nach persönlicher Einstellung von absoluter Ablehung und Negierung liegen bis hin zu „ist interessant und aufschlussreich“. Das ist aus meiner Sicht absolut zulässig und Kritik durchaus willkommen.

      Welche Schlüsse man nun aus dem möglichen Erkenntnisgewinn zieht? Nunja, das ist zum Glück jedem einzelnen selbst überlassen. Mein persönlicher Tipp als Pirat wäre, dass man im Wahlkampf weitaus deutlicher die Unterschiede zu den vermeintlich ähnlichen Parteien stärker herausstellt und klar stellt, dass die Piratenpartei nicht die Grünen light oder die Linke 1.1 ist, sondern klar erkennbar eigene und sinnvolle Standpunkte vertritt.

      Und in diesem Punkt sind unsere persönlichen Meinungen trotz der oben von Dir dargestellten Differenzen bei der Interpretation ja dann auch wieder nahe beieinander. Entscheidend für einen guten Wahlerfolg in Hambug wird vermutlich sein, dass man die Wähler erreicht und sie davon „überzeugt“, dass ihre Stimmen bei der Piratenpartei gut aufgehoben sind.

      Besten Gruß, Andena

      Verfasst von andena17 | Februar 5, 2011, 11:54 am
      • Also das „Hufeisenmodell“ ist nun wirklich eines der am wenigsten ernst zu nehmenden Ergebnisse der sogenannten „Totalitarismusforschung“. Dass man die Parteien und politischen Strömungen nicht auf einer Geraden von rechts nach links aufreihen kann, möchte ich gar nicht bestreiten, aber selbst der zweidimensionale politische Kompass ist meiner Meinung nach nicht in der Lage, alle Aspekte politischer Verortung abzudecken. (Sondern eben nur zwei zugegebenermaßen wichtige. Und mit ein bisschen Vorstellungskraft, kann man im politischen Kompass auch ein Hufeisen sehen, das nach links oben geöffnet ist, wenn man die relevanten Parteien und ihre Vertreter betrachtet.)

        Selbstverständlich gibt es Punkte, wo z.B. Stalin und Hitler sich politisch nahe waren, und wo jetzt Linke und NPD sich wohl näher sind, als den selbsternannten „Parteien der Mitte“. Das sind dann die Aspekte, die herausgepickt werden, um die „Hufeisen-Nähe“ zu belegen. Auf der anderen Seite gibt es aber eben auch andere Themenbereiche, in denen sich „links“ und „rechts“ diametral gegenüber stehen, und die NPD oder DVU sich von Teilen der CDU nur marginal unterscheidet.

        Aber auch innerhalb der sogenannten extremen Linken gibt es massive Unterschiede, wenn man z.B. autoritäre Marxisten-Leninisten-Maoisten mit revolutionären Anarchisten vergleicht, welche wiederum in ihrer Haltung zu staatlicher Einmischung punktweise den rechts-libertären Marktfundamentalisten näher sind, als ihren linksradikalen Brüdern.

        Insofern finde ich deinen Ansatz einer zweidimensionalen Abbildung von „Abständen“ äußerst interessant, halte aber die verwendeten Grunddaten für wenig geeignet, das eingangs erklärte Ziel „politisch thematische Überschneidungen“ und „große ideologisch-politische Gegensätze“ aufzuzeigen, zufriedenstellend zu erfüllen. Mit einer Art alternativem Wahl-O-Mat-Fragenkatalog, der sich aber nicht an einzelnen lokalpolitischen Sachfragen orientiert, sondern versucht ein umfassendes Spektrum politischer Grundeinstellungen abzudecken, (ähnlich dem politischen Kompass, aber weniger amerika-zentrisch,) könnte das interessante Ergebnisse liefern.

        Auch deine Ergebnisse können natürlich nützlich sein, bspw. bei der Planung von Wahlkämpfen, um Ressourcen möglichst optimal einzusetzen. Und teilweise bestätigen sie Einschätzungen, die man aus dem Bauch heraus schon lange hegte, wie dass sich CDU und SPD in Hamburg kaum unterscheiden und die FDP daher (meist erfolglos) große Anstrengungen unternehmen muss, um in der „bürgerlichen Mitte“ noch ihre Daseinsberechtigung zu finden. Nur als genereller Indikator für politische Richtung sind die Ergebnisse höchstens für eine grobe Einschätzung relevant, und nicht für so detaillierte Aussagen wie „die Piratenpartei hat die extremsten linken Standpunkte formuliert.“

        Verfasst von BurkhardHH | Februar 6, 2011, 12:29 am
        • Hallo BurkhardHH,

          Um noch mal zu erinnern, wie überhaupt das „Hufeisenmodell“ in die Diskussion kam:

          Du hattest geschrieben: „Dies wäre aber der erste Fall, wo jemand behauptet, die Linke und die DVU stünden sich politisch nahe.“ Und ich hatte Dir daraufhin geantwortet, es gibt „zum Beispiel das Hufeneisen-Modell, nach dem die politisch rechten Parteien und die politisch linken Parteien jeweils am Ende des Hufeisens positioniert werden und die beiden Enden des Hufeisens in diesem Modell sehr nahe beieinander liegen.“ Aus Sicht der sogenannten liberalen Mitte mag es durchaus so erscheinen, dass die Extremen jeglicher Coleur von dem liberalen Standpunkt gleich weit entfernt liegen und sich in der Ablehnung gegenüber dem Liberalismus gleichen.

          Daneben gibt es das in einem Kommentar bereits erwähnte Modell des Politischen Kompasses, der vier Pole hat, in ihm werden anhand der Beantwortungen von standardisierten (US-amerikanischen) Themen die einzelnen Parteien in einem fest vorgegebenen Rahmen verortet.

          Dann kennen wir noch das Politische Wertedreieck, das im Prinzip sechs Pole in einem Dreieck abbildet und schließlich das für mich im Moment interessanteste Modell der Sozialen Milieus. Alle diese Modelle haben eine gemeinsame Schwäche: Sie stellen stark vereinfachende Erklärungsmodelle der Wahlforschung dar und sind somit in einem Teilaspekt sicher sinnvoll, können aber niemals alle politischen Standpunkte zuverlässig abbilden, denn dafür reicht einfach die Anzahl der gewählten
          * 2 Pole beim linearen Modell
          * 3 Pole beim Hufeisenmodell
          * 4 Pole beim Politischen Kompass
          * 6 Pole im Politischen Wertedreieck
          * 4 Pole sowie der 10 definierten Milieus im Sinus-Modell
          nicht aus.

          Im Prinzip geht es auch gar nicht darum, eine exakte Wahlforschungstheorie aufzustellen, sondern einen Zustand aus verschieden Blickwinkeln so zu betrachten, dass man genügend Erkenntnisse sammelt, um gute Entscheidungen für zum Beispiel den eigenen Wahlkampf zu treffen. Wenn mein kleines Modell da zu neuen Erkenntnissen verhilft und Anregungen zu geben vermag, dann ist das so schlecht nicht. 😉

          Der eine Satz „die Piratenpartei hat die extremsten linken Standpunkte formuliert“ scheint Dich ja besonders zu stören und ich kann das sogar gut nachvollziehen, denn er postuliert einen Fakt, den nicht jeder so sieht und auch so nicht sehen will. Aber dennoch finden sich in den Antworten zu den Wahl-o-mat Thesen Belege dafür, dass man es so sehen kann und wahrscheinlich von vielen Wahlinteressierten zur Bürgerschaftswahl auch so wahrgenommen wird. Wenn wir uns mal anschauen, welche Parteienpaare die größten Unterschiede in der Beantwortung gemacht haben, dann haben wir da

          * GAL vs NPD mit 50 Differenzpunkten
          * CDU vs Piratenpartei mit 49 Differenzpunkten
          * F.D.P. vs ÖDP mit 47 Differenzpunkten
          * CDU vs Linke mit 46 Differenzpunkten
          * F.D.P. vs NPD mit 45 Differenzpunkten
          * F.D.P. vs Linke mit 45 Differenzpunkten
          * Piratenpartei vs NPD mit 45 Differenzpunkten.

          Interessant hieran ist, dass aus Sicht der CDU die Piratenpartei tatsächlich die Partei ist, mit der es am wenigsten Übereinstimmung gibt, selbst mit der Partei die Linke finden sich ein bißchen mehr Übereinstimmung als mit der Piratenpartei. Auch kann man durchaus feststellen, dass es anscheinend drei Pole gibt:

          * CDU & F.D.P. bilden einen Pol
          * GAL, ÖDP, Linke & Piratenpartei bilden einen zweiten Pol
          * Die isolierte NPD bildet einen dritten Pol

          Zumindestens kann man zu diesem Schluss kommen. Ob dieses jetzt generell gilt? Das kann man sicherlich nicht verallgemeinernd sagen, da stimme ich Dir durchaus zu.

          Verfasst von andena17 | Februar 6, 2011, 1:55 am

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