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Und noch einmal zu Kirchhof; Steuer-Progression, Flatrate und Rente

Man kann ja ganze Bände zu Paul Kirchhof verfassen – und es gibt etliche Papiere dazu. Nur wer soll (und will) diese alle suchen und lesen? Ich habe bereits im letzten Beitrag versucht einen Ein- und Überblick über einige Details zu verschaffen und zu vermitteln. Hier möchte ich noch etwas hinzufügen und vertiefen.

Stellungnahme des DIW Berlin zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Ein modernes Einkommensteuerrecht
für Deutschland – Konzept 21 (BT-Drucks. 15/2745)
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Der direkt-progressive Tarifverlauf sollte beibehalten werden. Die Einführung einer Flat-Tax, also eines einheitlichen Steuersatzes fur Einkommen oberhalb der Freibeträge, hat zwar eine Reihe von Vorteilen hinsichtlich der wirtschaftlichen Wirkungen und leistet einen spürbaren Beitrag zur Steuervereinfachung. Diese Vorteile stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den erheblichen Steuerausfällen bzw. der massiven Umverteilung der Steuerbelastung von den einkommensstarken zu den einkommensschwachen Steuerzahlern, die mit einer solchen Tarifform einhergehen.
….

Eine sehr merkwürdige Konstruktion des DIW welche mit Verweis auf ein eigenes Gutachten begründet wird:
Gutachten Flat Tax oder Duale Einkommensteuer – Zwei Entwürfe zur Reform der deutschen Einkommensbesteuerung

Nur finde ich dort irgendwie nichts über „Vorteilen hinsichtlich der wirtschaftlichen Wirkungen“ sondern lediglich Vorteile (bzw. Veränderungen) bei der Steuererhebung. Das hätte mich auch gewundert, denn die Aussage oben würde ja ansonsten in Summa bedeuten das man nachgewiesen hätte das wenn man reicheren mehr Geld lässt und ärmeren weniger der Wirtschaftskreislauf profitieren würde. Also ist die Aussage die, das die Umverteilung durch eine nicht progressive Flat-Tax von unten nach oben geht. Wobei eingeschränkt werden muss das am Ende immer „Flat-Tax“ herrscht – nämlich durch den Spitzensteuersatz.

Das DIW schreibt hier aber im Kern das exakte Gegenteil dessen was der Leitgedanke bei Kirchhof ist. Er ist gar der Ansicht das ein progressiver Tarif gegen eine „Freiheitsgarantie“ verstoße welche lt. ihm darin besteht das Unterschiede bestehen dürfen und man diese (frei bzw. beliebig) mehren können soll/muss.
Kirchhof führt aus, das das Prinzip des sozialen Ausgleichs lediglich eine Entlastung von „Anfangseinkommen“ aber „kaum“ eine Progression bei den übrigen Einkommen rechtfertige.

 

Das ist als Leitgedanken der Kirchhofschen Steuer m.E. ein ganz schöner Hammer. Eigentlich nicht unpassend das auf VoxEU gerade die Herren Stefan Bach, Giacomo Corneo und Viktor Steiner eine Ausarbeitung über die „optimale“ Besteuerung der Top-Einkommen in Deutschland veröffentlicht haben. Optimal taxation of top incomes in Germany. Das ist zwar auch sehr kritisch anzusehen, geht aber in die diametral entgegengesetzte Richtung. Dort werden Steuersätze von 56% aufwärts für Top-Level-Verdiener als fiskalisch und für den Konsumerhalt optimal beschrieben.

Results obtained by applying the optimal tax formula to the German data are shown in Table 3. Computations of the optimal top tax rate take into account that not only income but also consumption is taxed in Germany. For any level of the income threshold, Table 3 indicates the top marginal tax rate that maximises tax revenue once the loss of tax base due to decreased work incentives is taken into account. Thus, if the income threshold for taxation at the top rate is set at €50,000 (€100,000 for couples), the optimal top tax rate on income is about 56 % if one merely considers wage income and it is 60% if one also considers professional income. For both income concepts, the optimal tax rate converges to a level of about 2/3 at an income threshold of roughly €350,000. Therefore, setting the top marginal tax rate at 67% for yearly incomes in excess of €350,000 (€700,000 for couples) seems to be optimal from the viewpoint of public finances.

Das würde ich so auch nicht unterschreiben, denn Steuersätze sind auch davon abhängig wie „durchlässig“ und effizient sie selbst und das Steuersystem insgesamt sind. Ohne Absetzungsmöglichkeiten kann man ebenso niedrigere Steuersätze nehmen wie niedrigere Einkommenssteuern auf Basis anderer Mechanismen wie beispielsweise Abgaben resultieren können oder/und u.a. auch durch Mehrwertsteuersätze oder Finanzsteuern berührt werden.

Das DIW betrachtet 40% als eine mögliche Grenze und hält diesen Satz für sinnvoller als Kirchhofs 25%. Letzteres ist so oder so unrealistisch. Die Deckungslücke bei Kirchhof sollte 30Mrd oder mehr betragen, und dabei sind wenn ich es richtig überflogen habe die Ausgaben welche als „positive Subventionen“ fließen sollen noch nicht berücksichtigt. Er nennt z.B. als alternative für Spendenabzugsfähigkeit Zuschüsse analog der Parteienfinanzierung. Man solle anstatt auf 100 Euro einen Steuernachlass zu gewähren hingehen und für 75 Euro dann 25 Euro von Staatsseite aus zahlen. Das hätte „den gleichen Effekt“. Das kann man so sehen wenn man die 100 Euro vergleicht. Man kann es aber auch anders sehen, denn das Aufkommen für diese 25 Euro von Staatsseite ist im einen Fall alleine durch den Spenderkreis bestimmt während im anderen Fall die Zusammensetzung der Steuerlast über die Bevölkerung hinweg ausschlaggebend dafür ist „wer zahlt“.

Aber einen halben Schritt zurück zur Kirchhofschen Prämisse das sozialer Ausgleich nicht bedeuten dürfe das man Besserverdienenden irgendwie prozentual mehr Geld nimmt. Das ist imho eine Note 6 in VWL – aus der Finanzkrise nichts gelernt. Das hat selbst der IWF (hier) und auch die OECD (hier) besser erkannt…. schon vor Lagarde.

Und einen halben Schritt vorwärts. Ich hatte bereits im letzten Artikel erklärt das man Abgaben nicht aus der Betrachtung herauslassen darf, da es die Hälfte der Staatsquote ausmacht und vermehrt die weniger verdienenden Arbeitnehmer belastet. Man muss dies teilweise in eine Steuer überführen – meine Ansicht und auch mein Vorschlag (u.a. hier). Kirchhof möchte die Rente als Umlage abschaffen und Kapitaldeckung einführen. Das ist volkswirtschaftlich nicht haltbar und die Begründung der Demographie muss auch wieder herhalten. Dem habe ich bereits ausführlich und belegt widersprochen (hier). Das Leistungen aus dem Nichts hervorkommen gibt es nicht – Kapital kann man nicht essen. Und wie die lustigen Anlagen aus NRW und BW mit gleicher Begründung in Griechenland sich gerade in Luft aufgelöst haben ist imho inzwischen auch bekannt.

Die Ideologie und Intentionen hinter dem Modell von Kirchhof sind weder vom ideellen, sozialen noch vom volkswirtschaftlichenStandpunkt vertretbar. Das wäre auch dann nicht der Fall wenn man es fiskalisch begrüßen könnte. Und ich werde Beifall klatschen wenn über DIW, Böckler und andere hinweg die Front dagegen hält.

Diskussionen

5 Gedanken zu “Und noch einmal zu Kirchhof; Steuer-Progression, Flatrate und Rente

  1. Das Problem an „unserem“ Steuer und Abgabensystem ist IMHO vor allem, dass wir häufig über den progressiven Teil diskutieren, der aber in der Praxis dank der fixen Steuersätze (Umsatzsteuer, Verbrauchssteuern) und der Sozialabgaben (die der überwiegende Teil der Topverdiener nicht oder zumindest nur mit einem niedrigeren Prozentsatz zahlt) schon gar nicht mehr progressiv ist!

    Daher werden viele Leute schlucken, wenn sie 67% Steuersatz hören. Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit. Im Schnitt zahlen nämlich schon Durchschnittsverdiener so viel Steuern …

    Verfasst von egghat | Juni 30, 2011, 11:10 pm
  2. Wo ist denn bei dieser Anschauung der Unterschied ob ich eine Leistung Privat oder staatlich Einkaufe ? Nehmen wir an die Bürger geben alle ihr Geld aus, alle Leistungen würden sie beim Staat einkaufen. Dann gäbe es bei dieser Betrachtungsweiße keine Progression mehr. So kann ich die Progression in so einer Statistik völlig eliminieren, obwohl sie doch eigentlich vorhanden ist.
    Das kann ja nicht so ganz richtig sein….?

    Verfasst von PotzBlitzDonner | Juli 6, 2011, 2:09 pm
    • Nicht wenn man alles beim Staat einkauft. Die Progression würde eliminiert wenn man alles vom Staat erhält nachdem man zuvor erst einmal alles abgegeben hat. Das deshalb weil die Leistung des Staates dann nicht als „Nettolohn“ bezeichnet werden würde sondern als sonstiges Einkommen (z.B. Sachleistung, Kindergeld, Arbeitslosengeld etc.).

      Grüße
      ALOA

      Verfasst von aloa5 | Juli 6, 2011, 2:42 pm

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  1. Pingback: Flat-Tax, #AfD, Steuern, Finanzierung – in deep – | libri logicorum - Wirtschaft und Politik.... logisch - April 24, 2016

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